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Inhalt
Du hast das bei Bahnreisen vielleicht schon öfter erlebt: Mehr oder weniger kurzfristig vor der Ankunft oder Bereitstellung des Zuges, mit dem Du fahren möchtest, wird auf dynamischen Anzeigern im Bahnhof die Gleisnummer geändert, manchmal sogar mehrfach. Die Gleisnummer auf einem vielleicht noch vorhandenen gedruckten Abfahrtplan stimmt dann schon gar nicht mehr. Reisende müssen in einigen Fällen den Bahnsteig wechseln, manchmal dabei Treppen laufen, dies auch noch in flottem Schritt, um den am anderen Bahnsteig einfahrenden Zug letztlich nicht zu verpassen.
Hier geht es nicht um die Reisendeninformation, die selbstverständlich nicht weniger wichtig ist, als es die betrieblichen Belange sind. Dieser Artikel zeigt anhand eines Beispiels nur einmal auf, durch welche betrieblichen Gegebenheiten solche Bahnsteigwechsel ausgelöst werden können. Du sollst das nicht als Entschuldigung für eine möglicherweise schlechte oder ausgebliebene Reisendeninformation auffassen, sondern lediglich Einblick in das Hintergrundgeschehen im Eisenbahnbetrieb bekommen.
Es ist genau geregelt, welches Gleis welcher Zug in einem Bahnhof planmäßig benutzen muss. Dafür gibt es den „Fahrplan für Zugmeldestellen“, kurz FfZ. Dereinst nannte man das auch „Bahnhofsfahrordnung“. Es gibt aber immer wieder Fälle, in denen die Kolleginnen und Kollegen auf Fahrdienstleiter-Dienstposten davon abweichen müssen (und auch dürfen) und Züge kurzfristig in andere Gleise einlassen, um zum Beispiel noch mehr Verspätung zu vermeiden.
Wir blicken mal auf den Bahnhof Elsterwerda am Montag, 30.06.2025. Der ODEG-Zug der Regionalexpresslinie 8 aus Berlin, RE 62062, soll um 11:42 Uhr nach Gleis 3 einfahren. Auf Gleis 2 – am Inselbahnsteig gegenüber – steht zu diesem Zeitpunkt planmäßig die Regionalbahn von Elsterwerda Biehla nach Dresden Neustadt, Zug RB 18019.
An diesem heißen Sommertag gibt es einige Verspätungen. Der 62062 aus Berlin erreicht Elsterwerda erst um 11:53 Uhr statt 11:42 Uhr. Kann er jetzt noch nach Gleis 3 einfahren? Nein, jedenfalls nicht ohne den Folgezug zu behindern. Dieser kommt aus Cottbus über Elsterwerda-Biehla und soll planmäßig um 11:53 Uhr nach Gleis 3 einfahren. Die Regionalbahn nach Dresden hatte den verspäteten ODEG-Zug nicht abwarten können, somit ist der Anschluss weiter nach Dresden gebrochen. Wer direkt nach Dresden will, hat noch die Option auf den IC aus Rostock auszuweichen, der in Kürze (ebenfalls verspätet) kommen wird. Die Reisenden kommen somit weiter, allerdings nicht mit Deutschland-Ticket, sondern nur zum hohen Flexpreis des Fernverkehrs. Nebst des Folgezuges der Linie RB 31 in zwei Stunden gäbe es noch eine Umsteigeverbindung über Riesa, die mit Nahverkehrstickets nutzbar wäre.
Gleis 2 ist also zur Ankunftszeit des RE 62062 aus Berlin wieder frei, sodass er nach dort eingelassen wird und Gleis 3 für den RE aus Cottbus frei bleibt. Der ODEG-Zug aus Berlin hat bei seiner Ankunft noch 21 Minuten Zeit, ehe er als RE 62069 nach Berlin zurückfahren muss. Normalerweise (bei pünktlicher Ankunft auf Gleis 3) würde er nach dem Ausstieg der Reisenden auf ein Abstellgleis wegsetzen und später wieder nach Gleis 3 bereitgestellt werden. Das Wegsetzen entfällt heute, da die Zeit bis zur Rückfahrt dazu sehr knapp wäre. Er bleibt auf Gleis 2 gleich am Bahnsteig stehen.
Der IC 2175 von Rostock nach Dresden Hbf sollte eigentlich schon längst weg sein und dieses „Knäuel“ von Nahverkehrszügen gar nicht stören. Sein planmäßiger Aufenthalt in Elsterwerda wäre von 11:35 Uhr bis 11:37 Uhr gewesen. Er kommt aber auch mit Verspätung, + 20 Minuten, die er sich schon vor Berlin Hbf Lehrter Bf eingefangen hatte. Da Gleis 3 nun für den RE aus Cottbus gebraucht wird, der dort auf die Gegenrichtung zu wenden hat, und Gleis 2 (am selben Inselbahnsteig) wie geschildert durch den RE aus und zurück nach Berlin belegt ist, bleibt nur noch eine Option für den Fahrdienstleiter: Den IC nach Gleis 1 (am Hausbahnsteig) einzulassen. Vermutlich deswegen wurde er bereits in Hohenleipisch auf das Gegengleis geleitet. Dieser Umstand führt zu keiner zusätzlichen Verspätung, da die Strecke für Gleiswechselbetrieb (GWB) ausgerüstet ist. Die Fahrt von Hohenleipisch nach Elsterwerda Gleis 1 kann mit einer gesicherten Fahrstraße auf einen Fahrtbegriff am Hauptsignal erfolgen.
Von links nach rechts sind hier die Gleise 3, 2 und 1 des Bf Elsterwerda zu erkennen. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019. Zu jener Zeit fuhr noch DB Regio mit dem RE 3 nach Elsterwerda (ganz rechts). In der Mitte steht RB 18315 (Linie RB 31) nach Dresden-Neustadt. Damals waren diese Züge noch aus Loks der Baureihe 112 und einer Doppelstickeinheit gebildet, während im Juni 2025 längst Elektrotriebwagen zum Einsatz kamen. Links steht die Regionalbahn der Transdev Mitteldeutschland GmbH (TDM) nach Chemnitz, die unter dem Markennamen „Mitteldeutsche Regiobahn“ betrieben wird.
Es gibt Fahrwege und Fahrstraßen. Nicht überall, wo sich ein Fahrweg innerhalb eines Bahnhofes (durch entsprechende Lage der Weichen) schaffen ließe, lässt sich darüber auch eine technisch gesicherte Fahrstraße einstellen. Die einstellbaren Fahrstraßen sind projektiert und (wenn überhaupt) nur im Elektronischen Stellwerk (ESTW) durch einen Releasewechsel der Stellwerkssoftware veränderbar.
Die eingestellte und stellwerkstechnisch festgelegte Fahrstraße ist aber Voraussetzung, damit eine Zugfahrt mit Regelgeschwindigkeit und ohne Hilfsmaßnahmen (z. B. Befehlserteilung) stattfinden kann. Der Gleisplan des Bf Elsterwerda zeigt, dass ein Fahrweg auch aus dem Richtungsgleis Dresden nach Gleis 1 an den Hausbahnsteig möglich wäre (via Weichen 13 und 14, beide in Linkslage). Darüber lässt sich offenbar auch eine Fahrstraße einstellen (ein Lokführer der ODEG berichtete, auf Hauptsignal nach Gleis 1 eingefahren zu sein, wobei er die genannte Weichenverbindung befuhr). Trotzdem führt dieser Weg zu einem Geschwindigkeitseinbruch bei der Einfahrt (aus einer zuvor möglichen Geschwindigkeit von maximal 160 km/h heraus), da beide Weichen im abzweigenden Strang befahren werden müssten. Das kann durchaus 2 bis 3 weitere Verspätungsminuten bringen. In Hohenleipisch war der Gleiswechsel über die abzweigenden Stränge der Weichen mit 80 km/h möglich, wie ein uns vorliegender GPS-Track vom IC 2165 erkennen lässt. Viele Weichen, die keine Schnellfahrweichen sind, können aber im abzweigenden Strang nur mit 60 oder 40 km/h befahren werden.
Zum Bahnhof Hohenleipisch ist zu ergänzen, dass der Bereich der Bahnsteige ein Bahnhofsteil ist, diese liegen (nach Umbau) an der freien Strecke, südlich des eigentlichen Bahnhofes. Auf Open Railway Map (ORM) wird Hohenleipisch (zum Erstellungszeitpunkt dieses Artikels) gar nur als Haltepunkt ausgewiesen, was aber nicht richtig ist.
Der verspätete IC 2175 erreicht Elsterwerda an diesem 30.06.2025 um 11:55 Uhr statt 11:35 Uhr. Die Einfahrt nach Gleis 1 an den Hausbahnsteig erfreut zahlreiche Reisende, die nach Chemnitz weiterfahren möchten. Die um 12:16 Uhr nach dorthin fällige Regionalbahn soll nämlich von Gleis 1 abfahren. Wer hingegen nach Elsterwerda-Biehla – Lauchhammer – Ruhland umsteigen möchte, muss Treppen laufen und sich auf den Inselbahnsteig begeben. Das sind an diesem Tag jedoch deutlich weniger Reisende als jene, die in Richtung Riesa – Chemnitz weiterfahren möchten. Somit haben die meisten Reisenden hier noch von der Bahnsteigänderung profitiert.
In der Tabelle sind die Zugfahrten im Bf Elsterwerda zur relevanten Zeit und die Abweichungen vom 30.06.2025 noch einmal übersichtlich dargestellt.
Der Lokführer der ODEG konnte sich am 30.06.2025 das Wegsetzen nach der Ankunft in Elsterwerda und die spätere Bereitstellungsfahrt vor der Rückfahrt nach Berlin sparen, dank 11 Minuten Ankunftsverspätung. Hier steht er während der Bahnsteigwende auf Gleis 2, bereits mit Spitzensignal (Signalbegriff „Zg 1“) für die Rückfahrt. Das Fahrzeug ist ein „KISS“ des Herstellers Stadler Rail, an der Spitze der vierteiligen Einheit läuft der Wagen 445 103.